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Sprache und Denken

Sprache und Denken

Die Sprache als transzendentale Grundlage unseres Denkens1

Nicht also dass mit Hilfe der Sprache Meinungen und Stimmungen, Neigungen und Abneigungen vermittelt und provoziert werden können, sondern dass sie im Medium der Sprache als dem unhintergehbaren Medium unseres Denkens überhaupt erst entstehen können.

Die Ordnung der Sprache ist es, die das ungegliederte Chaos unserer Wahrnehmungen strukturiert und zu einem System organisiert. Der Bau der Sprache, die Art und Weise wie sie klassifiziert und kategorisiert, ihre idiomatischen Eigenheiten, ihr Wortschatz bilden die Grundlage für die Prägung unserer Ansichten und Meinungen über die Welt.


«Durch die gegenseitige Abhängigkeit des Gedankens, und des Wortes von einander leuchtet es klar ein, dass die Sprachen nicht eigentlich Mittel sind, die schon erkannte Wahrheit darzustellen, sondern weit mehr, die vorher unerkannte zu entdecken. Ihre Verschiedenheit ist nicht eine von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst. Hierin ist der Grund, und der letzte Zweck aller Sprachuntersuchung enthalten. Die Summe des Erkennbaren liegt, als das von dem menschlichen Geiste zu bearbeitende Feld, zwischen allen Sprachen, und unabhängig von ihnen, in der Mitte; der Mensch kann sich diesem rein objectiven Gebiet nicht anders, als nach seiner Erkennungs- und Empfindungsweise, also auf einem subjectiven Wege, nähern.» (W. v. Humboldt. Gesammelte Schriften, Bd. IV)


Die innere Verfasstheit einer Sprache, ihr Begriffs-inventar, ihr internes Organisationssystem, die Grenzlinien, die sie bei der Beschreibung der Wirk-lichkeit zieht, all dies reguliert das Denken, Fühlen und Handeln des Menschen, ohne dass sich der Mensch der Sprache als Medium seines Denkens bewusst ist.

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1 Vgl. Thomann, Erik (2004) Die Entmündigung des Menschen durch die Sprache ... und die suche nach authentischer Subjektivität. Wien. Passagen Verlag

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